Im Rahmen der Debatte um das Öhringer Klimaschutzkonzept hat Peter Hohl für unsere Fraktion Stellung bezogen. Den gesamten Redebeitrag lest ihr hier.
Sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, liebe Öhringerinnen und Öhringer,
Die Große Kreisstadt Öhringen will sich ein großes Ziel setzen. Endlich mal wieder. Denn das letzte große Ziel, die Landesgartenschau 2016, wurde in den Nullerjahren, also vor rund zwei Jahrzehnten, ins Auge gefasst und angegangen. Das Ziel nun lautet: Klimaneutralität. Und wie stets gilt: Große Ziele kann man nur gemeinsam erreichen. Manchmal muss man dabei über seinen Schatten springen, sprich: kompromissbereit sein.
Das Ziel Klimaneutralität haben wir uns nicht ganz freiwillig gestellt. Die unleugbaren Fakten des menschengemachten Klimawandels und ein unmissverständlicher Anstoß aus der Bürgerschaft haben uns auf den Weg gebracht. Nach dem Bürgerbegehren der Initiative Öhringen Klimaneutral 2035 hat der Gemeinderat den mehrheitlichen Beschluss gefasst, ein Klimakonzept auf den Weg zu bringen. Fachbüros haben Basisdaten gesammelt und Möglichkeiten der CO2-Einsparung aufgezeigt. Die Verwaltung, insbesondere Sophie Strecker und Kai Langenecker, haben den Prozess gestaltend begleitet und Grundlagen für Entscheidungen herausgearbeitet. Hierfür herzlichen Dank!
Wir hatten gut besuchte Bürgerbeteiligungen. Die Initiative „Öhringen Klimaneutral 2035“ hat konstruktiv mitgearbeitet. Wir hatten monatliche Arbeitskreissitzungen und viele Expertenrunden. Wir hatten ausführliche Klausurtagungen des Gemeinderates mit vielen interessanten Diskussionen. Wir haben bei dem ganzen Prozess viel gearbeitet, viel dazugelernt, am Schluss alles abgewogen und gemeinsam einen zukunftsfähigen Kompromiss gefunden.
Erstellt wurde so das Öhringer Klimaschutzkonzept. Dieses Konzept will jetzt auch offiziell beschlossen werden, damit daraus konkrete Pläne werden, die zu konkreten Maßnahmen führen. Konzept heißt noch nicht Plan und erst recht noch nicht Umsetzungsbeschluss. Der Gemeinderat muss bei jeder einzelnen Maßnahme noch einmal diskutieren und zustimmen – oder ablehnen. Konzept heißt vor allem: sich auf den Weg machen.
Längst nicht alle Ratsmitglieder, die heute über dieses Konzept abstimmen werden, haben sich an dieser gut einjährigen Sachdebatte beteiligt. Einige konnten vielleicht aus zeitlichen Gründen nicht, aber etliche wollten auch gar nicht. Sie müssen sich heute fragen lassen, ob sie überhaupt tief genug in der Materie drin sind. Vorgefasste Meinungen sind selten bis nie eine gute Grundlage für konstruktive Entscheidungen.
Klar: Wir sind in Deutschland derzeit nur für circa zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen direkt verantwortlich. Also könnten wir mit dem Finger auf andere zeigen. Aber wie so oft, wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigt, zeigen vier Finger zurück auf einen selbst. Denn das heißt doch eigentlich nur: Ich will mich aus der Verantwortung stehlen. Wenn wir rechnen, wie viel CO2 in Deutschland seit Beginn der Industrialisierung ausgestoßen wurde, liegen wir auf dem viertschlechtesten Platz weltweit, gleich hinter den USA, Russland und China. Wenn wir daraus keine Verantwortung ableiten – woraus dann überhaupt noch?
Ebenso ist es mit dem Scheinargument, das uns kurzsichtige Ökonomen immer wieder vorschlagen: Wir setzen uns zwar prinzipiell schon für den Klimaschutz ein, wollen aber nur Maßnahmen umsetzen, die sich rechnen. Das heißt doch schlicht: Wir picken uns die Rosinen heraus, mit denen wir richtig Geld verdienen. Viele von uns im Gremium haben Familie. Wollen wir wirklich unsere Kinder und Enkel die komplette Rechnung unseres heutigen Wohlstands bezahlen lassen?
Wenn wir uns die Ergebnisse der Datenanalyse aus dem Klimaschutzkonzept anschauen, sehen wir, dass circa die Hälfte unserer CO2-Emissionen aus dem Verkehrsbereich kommen – die Autobahn eingerechnet. Nun klingt es ja verlockend, die Autobahn einfach herauszurechnen. Schließlich sind zwischen Bretzfeld und Neuenstein nicht nur Öhringer Autos unterwegs. Aber wie sollen dann die Städte rechnen, in denen Zement für Öhringer Häuser gebrannt, Glas für Öhringer Weinflaschen geschmolzen, Chemikalien für Öhringer Medikamente hergestellt werden oder in denen Flugzeuge mit Urlaubern aus Öhringen starten und landen?
Zu einem Klimakonzept, wie wir es heute Abend beschließen wollen, gehören viele Bausteine: große und kleine; solche, die sich schnell rentieren, und solche, bei denen man länger auf den sichtbaren Erfolg wird warten müssen. Der aktuelle Gemeinderat gibt eine Zielrichtung vor. In konkrete Planung und Projekte umsetzen müssen und dürfen es unsere Nachfolger, die am 9. Juni gewählt werden. Die Bürger können an diesem Wahltag entscheiden, welches Tempo bei der Umsetzung sie in den kommenden fünf Jahren wollen. Und der künftige Gemeinderat kann bei jedem Projekt frei entscheiden, was er für machbar hält und was nicht. Wir geben heute das Ziel vor, nicht den Weg.
Die Fraktion UNS/Grüne ist überzeugt: Wenn wir den Klimaschutz jetzt nicht energisch angehen, werden die später nötigen Maßnahmen immer teurer. Rechtzeitiges Handeln rechnet sich. Dieses Ziel ist wichtig für uns und noch mehr für die nachfolgenden Generationen. Darum stimmen wir für das vorliegende Öhringer Klimaschutzkonzept in der von der Verwaltung vorgelegten Version.
Wir wollen die Verwaltung bis 2035 klimaneutral machen und die ganze Kommune bis zum Jubiläumsjahr 2037. Wir stimmen für 2037 als Zieljahr der Klimaneutralität, weil sich dann, tausend Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung Öhringens, Vergangenheit und Zukunft in einer gemeinsamen Zielmarke verbinden. Wir stimmen vor allem aber deshalb für 2037, weil diese Jahreszahl der Kompromiss aus intensiven, teils kontroversen, am Ende aber zielführenden Vorberatungen war. Wenn andere an diesem Kompromiss noch einmal rütteln wollen, dann werden auch wir unsere ursprüngliche Zielmarke hier zur Abstimmung stellen. Und die lautet: 2035.